Darkness at the end of the Tunnel – wenn Tankrabatte als Lösung verkauft werden.

 

Ein paar sommerliche Gedanken, wieso Tankrabatte uns nicht weiterbringen, der Benzinpreis alle Klimavorsätze zunichtemacht und die Kaffeebranche der Kostenwahrheit viel näher ist.

Der Sommer ist da, die Strassencafés haben die Sonnenschirme aufgespannt und es gibt nichts Schöneres, als sich mit einer Zeitung und einem Cappuccino hinzusetzen und dem morgendlichen Treiben der Stadt durch die Sonnenbrille zuzuschauen. Da hetzen Menschen aufs Tram, Autos hupen, Fahrräder flitzen vorbei und Menschen schlendern sommerlich gekleidet durch die Strassen. Begleitet von einem Schluck aus der Tasse wirkt das bunte Treiben wie eine Oper mit viel Italianità. Ich schlage die Zeitung auf – analog auf Papier und nicht digital – und überfliege die grossen Themen, die die Welt bewegen. Dabei bleibt mein Blick an einer fetten Überschrift hängen: "Deutschland verbilligt Benzin – lohnt sich jetzt das Tanken ennet der Grenze?“. Echt jetzt? Wo sind da die guten Vorsätze und Klimaziele bei den Politikern hingekommen? Kaum steigt der Literpreis über die magische 2 Euro-Grenze, wird aus "Fridays for Future“ also wieder "Freie Fahrt für alle“? Alle guten und zukunftsweisenden ökologischen Vorsätze werden ausgeblendet und die PolitikerInnen gehen reihenweise auf die Knie vor ihren autofahrenden WählerInnen – als wäre der Benzinpreis der alleinige Indikator für das Volkswohl im Land.

Recht auf günstiges Benzin und das in einer Zeit in der wir gesamtgesellschaftlich über Kostenwahrheit diskutieren und dass jeder seinen fairen Teil an das Ganze bezahlen soll? Das klingt doch wie aus der Zeit gefallen und subventioniert die Erdöl-Lobby gleich zweimal: einmal durch die Bezuschussung durch den Staat und zum anderen durch die ganzen Tankwütigen, die sich ihren Stoff für die Sommerferien-Reisen durch Europa in die Kanister und Tanks füllen. Grosse Gewinne für die Öl-Multis und ein giftiger Rückschlag für unsere Natur, die nach der pandemiebedingten Entschleunigung diesen Sommer wieder die volle Ladung CO₂ des Reiseverkehrs einstecken muss. Hurra!

Nach diesem Gedankengang schreit mein Körper nach Genugtuung in Form eines weiteren Schlucks aus der Kaffeetasse – und gerade als ich ansetze, kommt mir ein Blitzgedanke. Hmmmm… für einen Kaffee zahlen wir jeden Morgen 4 Euro, ohne mit der Wimper zu zucken. Manche sogar noch mehr, wenn sie sich das Bohnengebräu mit hippen Toppings in amerikanischen Kaffeeketten abholen. Da schreit niemand nach dem Staat und Subventionen. Wir geben also täglich 3 bis 4 Euro für 0,1 Liter frisch gebrauten Kaffee aus, bekommen aber Schnappatmung und Weltuntergangsstimmung, wenn der Benzinpreis über 2 Euro für einen Liter steigt? Ist das noch normal oder sind wir bei dem Thema einfach zum Spielball der Medien geworden, die mit dem Thema Spritpreis so richtig Kasse machen? Werden wir von einer Heerschar von Lobbyisten vor den Wagen ihrer erdölfördernden Klienten gespannt? Irgendetwas stimmt doch hier nicht.

Aber bleiben wir doch hier mal beim Vergleich mit dem Kaffee. Dieser wird auch in abgelegenen Regionen angebaut – in einigen Fällen sogar biologisch und fair. Dann wird er geerntet, verarbeitet und aus der ganzen Welt zu uns geschifft, er wird dann bei uns raffiniert – also geröstet und kommt als Bohnen oder gemahlen ins Kaffeehaus unserer Wahl, wo er von geschultem Personal durch sündhaft teure Mahlwerke und Maschinen in die Tasse gebrüht wird. Von der Komplexität der Warenkette also durchaus mit dem Förderprozess von Erdöl und der Ausgabe an der Tankstelle zu vergleichen. Wenn wir da also unseren Verstand von antrainierten Denkmustern lösen und die Kostenwahrheit in den Prozess mit einfliessen lassen, müsste doch der Preis für 1 Liter Benzin locker in der Grössenordnung von 4 Euro liegen, oder? Zumal da ja noch Steuern und Abgaben inkludiert sind. Aber wir bekommen bei 2 Euro einen dicken Hals und die Politiker lassen die Klimavorsätze fallen? Wie sollen wir dann in Zukunft die Kosten für die Energiewende stemmen können, wenn wir nicht gewillt sind, bei jedem Liter Benzin einen fairen Teil an die Rettung der Erde zu zahlen? Wir pochen also weiterhin lieber auf „Freie Fahrt für freie Bürger“ und sehen bei einem Benzinpreis jenseits der 2 Euro gleich unsere Volkswirtschaft bedroht. Mit diesem Verhalten giessen wir doch Sprit und Brandbeschleuniger in die Brennräume aller, die nichts ändern wollen, die weiterhin unbeschränkt auf der Autobahn Strecken fahren, die man locker auch mit der Bahn oder im Flixbus fahren könnte.

Auch im Bereich „Fair Trade“ ist man auf der Seite des Kaffees schon einiges weiter. Doch davon will man bei Auto und Benzin rein gar nichts wissen. Wo ist hier ein Max Havelaar, der sich für faire Bedingungen und Überwachung der Produkte einsetzt? Wo ist hier der Endkonsument, der nicht nur beim Bio-Kaffee, sondern auch beim Benzin einen Aufschlag für ein besseres und naturverträgliches Produkt bezahlt? Nichts dergleichen findet sich an der Zapfsäule und es wird weiterhin hirnlos Sprit verbrannt. Aus dem Auspuff aus dem Sinn! Wenn wir uns da also nicht von den alten Denkschemen lösen und weiterhin versuchen, die Zukunft der Mobilität an den Zapfsäulen zu verhandeln, fahren wir in einen Tunnel, in dem kein Licht auf der anderen Seite zu sehen sein wird – darkness at the end of the tunnel.

Aktuell überlassen wir die Denkarbeit zur mobilen Zukunft den Autokonzernen, die uns das aktuelle Chaos ja mit eingebrockt haben und zukunftsfähige Ideen wie das 3-Liter-Auto nicht mit voller Überzeugung, sondern halbherzig in den Markt gepusht haben. Aus dieser Ecke ist aktuell mehr Selbsterhalt zu vernehmen, wie disruptive Ideen, welche die Zukunft der Mobilität aktuell benötigt. Und was macht der Staat? Er fördert dieses lasche Verhalten noch, in dem er grosszügig E-Auto-Prämien verteilt und den Benzinpreis ohne Lenkungsideen bezuschusst. Schöne neue Welt!

Durch die reflexartig und unüberlegt raus gehauenen Tankrabatte, fliessen rund 50 Prozent dieser Benzin-Subventionen auch in den urbanen Raum, wo der gut ausgebaute ÖV schon länger eine echte Alternative zum Auto ist. In Anbetracht der existierenden Klimaziele wäre es doch viel sinnvoller, die Leute noch gezielter zum Umsteigen zu bewegen. Ziel der Subventionen sollte es also sein, noch mehr Autos stehenzulassen und den ÖV zu stärken. Aber aktuell bekommen auch die Autofahrer in den Städten einen Zuschuss, um so weiterhin unüberlegt Benzin zu verbrennen. Wahrlich nicht sehr umweltverträglich. Und was passiert mit den anderen 50 Prozent der Zuschüsse, die an Autofahrer in den ländlichen Regionen ausbezahlt werden? Die nutzen den Tankrabatt mitunter auch für Freizeitfahrten in die Städte, wodurch sie die so oder so schon arg belasteten Innenstädte mit ihren Autos zustellen und Abgase in die Lust blasen. Das alles nur, um am Sonntagnachmittag entspannt einen Kaffee in der City zu trinken und dann auf den Tatort wieder zurück im Eigenheim im Umland zu sein. Das ginge übrigens auch viel stressfreier und grüner mit dem Zug.

Wir müssen als Gesellschaft eine Vision entwickeln, wie wir leben wollen. Frische Ideen ausprobieren und das Überholte ohne Umwege ins Museum stellen.
— Daniel Soldenhoff – denkfabrikmobilitaet.org

Also fertig mit dem Auto-fokussierten Tunnelblick. Wir werden uns damit abfinden müssen, dass Autofahren teurer werden wird und dass wir uns in Zukunft weniger frei mit Privatautos in den urbanen Räumen bewegen – egal ob mit Benzin oder elektrisch. Da kann man jetzt die Hände verwerfen und auf den antiquierten Ansatz der Autogerechten Stadt pochen, aber wenn wir weiterkommen wollen – im verkehrs- sowie im umwelttechnischen Sinn – braucht es den Willen zum Umdenken, den Mut neues auszuprobieren und nicht nur im Kaffeesatz der Vergangenheit zu lesen. Wir müssen als Gesellschaft eine Vision entwickeln, wie wir leben wollen. Frische Ideen ausprobieren und das Überholte ohne Umwege ins Museum stellen. Unter dieser Vorgabe wirkt es doch schon fast lächerlich, wenn wir beim Benzinpreis erwarten, dass alles beim Alten bleibt. Sehen wir der Zukunft in die Augen und bezahlen wir den fairen Anteil – für die Umwelt und unsere Nachkommen.

Zum Abschluss meines Gedankenspiels gönne ich mir noch den letzten Schluck meines Cappuccinos und lege mit gutem Gewissen den Gegenwert von 2 Liter Benzin – plus Trinkgeld – auf den Tisch und schwinge mich auf mein Velo. #